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Meine Kanäle: Comedy & Cartoons / Reise-Abenteuer / Vlog-Schrott
12. August 2008 / 18:56
OZ (WA): August 13, 2008 / 00:56

AUSTRALIEN-REISE

On the road again

„Ich konnte es zuerst nicht glauben, dass Du tatsächlich nicht mehr da warst. In keinem Zimmer, und nur bei mir lag Dein Brief. Ich kann immer noch nicht glauben, dass Du weg bist.“ Er lacht. „Wo bist Du denn?“

„Joondalup … auf einem Parkplatz vor dem Supermarkt. Wir bleiben hier die ganze Nacht.“

„Auf dem Parkplatz!? Du armes Kind. Aber, Du musst Dich eh langsam wieder an die Realität gewöhnen.“

Dass mir nach den vielen Monaten auf der Reise zum Abschied die Luftröhre zuschwillt, hätte ich nicht gedacht, und vielleicht, wenn mir der richtige Song aus dem Radio ‚if you leave me now, you take away the biggest part of me‘ zugerufen, und das Haus wie im Musical surreal mitgeschunkelt hätte, wäre ich wohl geblieben.
Ein paar Abende zuvor meinte Steve: „Wenn Du am Dienstag aufwachst und ich schon bei der Arbeit bin, dann geh, und warte bloss nicht auf mich. Ich hasse Abschiede. Hauptsache Du bist weg, wenn ich wiederkomme.“
Steve sagt manchmal Dinge, die er nicht so meint, aber manchmal sagt er sie gerade deshalb.
Er fand, ich sei die merkwürdigste Kreatur, die ihm in seinem Hexenleben begegnet sei, was schwer zu glauben ist, aber er sagt auch, ich solle bloss nicht glauben, dass er mich vermissen wird.

Das Haus wird mir fehlen. Die alte Barracke mit ihren kleinen Zimmerchen und den zugigen Fenstern, dem überwucherten Garten und den Flötenvögeln, die mich schon vor Sonnenaufgang um den Schlaf sangen.
Ohne Isolation von der Kälte durchgefroren zeigten wir uns bis spät in die Nacht alte YouTube-Filme, tranken Tee, und erzählten Anekdoten, die sonst keiner mehr hören mag. Wir genossen die schönen Seiten des westaustralischen Winters: Das saftige Gras, die tiefstehende Sonne mit ihrem orange-farbenen Licht, und die milden Temperaturen. Manchmal regnete es auch den ganzen Tag, doch am Platz vor der Gasheizung blieb immer eine Seite warm. Hin und wieder besuchten wir seine Freunde, gingen in die Stadt oder jeder seiner Arbeit nach. Die Tage hatten einen Rythmus – etwas, das beim Reisen schnell abhanden kommt und wenn es wieder da ist, ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Das eigene Bett, die Dusche am Morgen, das gesellschaftliche Abendessen, die Gespräche.

Ich bin genauso gegangen, wie er es gewünscht hat: Habe alle meine Sachen in Charlie verstaut, einen letzten Dank und Grüße auf seinem Bett abgelegt, die Türe hinter mir zugezogen und den Schlüssel wie abgemacht im Briefkasten versteckt. Nicht, dass das nötig gewesen wäre: Wer hier rein will, schiebt die Fenster zur Seite, und vor Vandalismus schützt auch kein Schloß. Ich betrachte kurz die neue Fensterfront, die Randalierer vor ein paar Monaten mit schweren Steinen eingeworfen hatten. Sie trafen damit Tische und Möbel. Einer besonders großer landete in Steves Bett.
Das war glücklicherweise leer. Er und sein Mitbewohner waren für ein paar Tage verreist und fanden die Wohnung so am Morgen vor. Gestohlen wurde nichts.*

Ein paar Schritte später sitze ich im Wagen. Ein letzter Blick, dann drehe ich die Zündung und brause davon.

Den Nachmittag verbringe ich mit Besorgungen in der Stadt und fahre dann von dort aus in den Norden weiter. Erst am Abend erreichen wir Joondalup, eine mittelgroßer Vorort von Perth. Auf einem Parkplatz erreicht Charlies Kilometerstand 300.000. Zur Feier bekommt er 85 Liter Unverbleites und ich ein Döschen Kolé Beer**.
Dann beginnt wieder das alte Spiel. Kisten werden quer durch das Auto verschoben, Decken ausgebreitet und Fenster verhüllt. Das Leben auf der Straße hat uns wieder. Ein großer Supermarkt ist auch gleich ums Eck, und so kann ich noch einmal das Nötigste besorgen, ehe es morgen Richtung Geraldton geht.
Kaum liege ich ausgestreckt im Kofferraum, klingelt das Telefon. Kleinlaut nimmt Steve seine Drohung zurück, dass ich auf der Straße schlafen müsse, wenn ich bis zum Abend nicht gegangen sei.
Ich werde ihn auch vermissen.

* Vor einigen Wochen war ich schon einmal in dieser Gegend, nur ein paar Häuser weiter. Zwei Reisende und ihre Vermieterin hatten mich zum Abendessen eingeladen. Kurz nachdem wir mit dem Hauptgang durch waren, schrie draußen jemand martialische Flüche durch die Nacht. Sekunden später hämmerte es laut gegen die Tür.
Alarmiert spähte die Gastgeberin durch den Spion. Es waren zwei schwarze Mädchen, beide offenbar betrunken und in waghalsiger Stimmung. Noch bevor die Polizei kam, waren beide auch schon über alle Berge. Randalierende Aboriginals sind in Belmont nicht selten, doch abgesehen von den Fenstern gab es bei Steve und Richard sonst keine Probleme. Und bis auf die drei, die mich jedes Mal auf dem Weg zum Supermarkt angebettelt haben, sind mir auch keine aufgefallen.

**Cola mit komischem Geschmack

 
Vielen Dank an Mark Harrison für die gespendeten flexiblen Kilometer dieser Strecke!

 
 


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