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Meine Kanäle: Comedy & Cartoons / Reise-Abenteuer / Vlog-Schrott
13. September 2008 / 17:44
OZ (NT): September 14, 2008 / 01:14

AUSTRALIEN-REISE

Would you?

Aller Ende ist schwer, denn der Ausgang einer langen Reise stellt nur wenig dem Charme des Anfangs gegenüber, der noch mit der Vorfreude auf all die Entdeckungen auffahren konnte. Die vielen Dinge, die man einst neu erwarb und erlebte, müssen nun verkauft oder mit feuchten Augen zurückgelassen werden.
Egal, was die Charity-Industrie uns weiß machen will: Nicht Geben und Schenken kickt die Endorphine aus dem Hormonbeutel. Das Kaufen tut’s, weil es so euphorisch wirkt, dass es im Deutschen wie im Englischen schon ein Wort dafür gibt: Kaufrausch / Retail Therapie.
Verkaufen dagegen ist Verlust, und wirkt so aufbauend wie eine kleine Grabesrede.

Zwar ist es bei mir, wie ihr wisst, nicht ganz so schlimm. Durch den Neuerwerb meines gestohlenen Rucksacks bin ich nun genügend Endorphinangefixt, um zumindenst die schmerzliche Trennung von Charlie überwinden zu können. Trotzdem ist der Verkauf ein harter Kampf, denn nicht nur habe ich mich an den mist-elenden Wagen wirklich gewöhnt. Die Käufer tragen das ihre zum schweren Abschied bei.

Es waren nicht wenige, die in den letzten Tagen die Runde um Charlie gemacht haben, und beliebt ist er, das kann ich Euch sagen! Fast jeder, der ihn gesehen hat, hätte ihn gerne gleich eingepackt. Nur mit den Zahlen, da hapert es noch bei den Käufern. Man kann ja auf Verkaufsprospekte drauf schreiben, was man will, es wird einfach nicht ernst genommen. „Da steht 3.800? Ach, der gibt ihn uns sicher für 2.500!“, „Ich hab mal online gesucht und den selben Wagen in Sydney für nur 2.000 gesehen!“„Ja, aber der war 10 Jahre älter…“„Trotzdem! Zweitausend!!“

Es wurde Probe gefahren, Motorhaube geleckt, Auspuff beschnüffelt, Ölfarbe geprüft, Unterboden gecheckt, Klimaanlage auf Hochtouren gedreht und selbst ein mechanischer Check musste her, um zu sehen, ob der Wagen auch hielt, was er versprach. Tat er natürlich nicht, denn der Mechaniker fand eine ganze Liste an Dingen, die er gerne gefixt hätte. Das meiste davon bezog sich glücklicherweise nur auf den Austausch von Wagenflüssigkeiten, aber der Hammer war ein defekter Zylinderkopf, dem der gute Mann keine halbe Australienumdrehung mehr gab. Kostet rund 800 Dollar, und das war dem ersten potentiellen Käufer, einem ostdeutschen Schuljungen, natürlich viel zu viel, und mehr als 3000 hätte er ohnehin nicht zahlen wollen.
Die nächsten zwei, ein sympathisches Pärchen aus Taiwan, verlieben sich nicht in Charlie, aber in die Stereoanlage, die gute für 130 Dollar. Meinen Preis für den Wagen nehmen sie nicht ernst, und feilschen, freundlichen grinsend, den Teufel aus mir heraus. Sie einigen sich, nach langen hin und her, auf 3200 und erwarten von mir, dass ich mich auch darauf einige. Gequält verspreche ich, auf sie zurückzukommen, falls ich den Wagen nicht für mehr Geld loswerde.
In den kommenden Tagen überhäufen sie mich mit SMS und Angeboten, zu den 3200 auch noch für mich zu kochen, und Komplimenten, wie schön Charlies Fell glänzt und überhaupt.

Dann waren da noch die vier Iren, denen man ob ihrer Fahrkünste Charlie guten Gewissens nicht anvertrauen möchte, aber was zählt schon Gewissen, wenn die Kohle stimmt? Das tat sie aber zunächst gar nicht. Sie unterbieten die irrwitzigen Angebote der anderen noch einmal um Längen, prüfen den Wagen oberflächlich auf Herz und Blinddarm und haben ganz offenkundig von Autos noch weniger Ahnung als ich. „Er sieht ja fast aus wie ein Neuwagen!“ Als sie fertig sind, wollen sie ihn für 2.500 gleich mitnehmen. Denkste.
Sie schlagen mir vor, ich solle doch noch einmal drüber nachdenken, über den Preis. Sie hätten ihn ja wirklich gern, den äh, wie hieße er noch gleich? Charlie. Ja, den.
Vom kaputten Zylinderkopf erzähle ich ihnen nichts.

Und nun ist Sonntag. Gestern wollten sie ihn noch einmal sehen. Ja, die Angebote in Darwin wären nicht so toll. Ja, bisher gefiele ihnen Charlie am besten. Ob ich ihn denn für 3.000 hergebe? Doch unter 3.300 geht nichts. Das sind 100 mehr als das Angebot der Taiwaner.
Sie willigen ein: 3.300. Gemessen am Kaufpreis (4.000) ist es zum Heulen. Aber die Zeit bleibt ja nicht stehen. Ich muss meine Flüge buchen.

Charlie, Charlie. Sein Fell glänzt wirklich wie das eines wilden, jungen Pferdes. Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, ihn noch einmal einer ordentlichen Striegelung zu unterziehen. Gesaugt habe ich ihn und mit „Neupferd“-Duft besprüht, die fleckigenen Rücksattel entschimmelt und selbst die Flanken gebonnert und gewachst. Er glänzt und blitzt bis zum letzten Hufnagel und für keine Sekunde würde man glauben, welch langen Weg – fast 21.000 Kilometer – der Gute mit mir geritten ist.
Klar, dass man sich in den Wagen verliebt.

 
 


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