YouTuber-Treffen auf der GamesCom – so habe ich überlebt!
Zu spät dran. Wir stehen am Südeingang, das Fake-Digital-Display meines HTCs zeigt die Zeit, es ist 3 nach 5, und wir sind nicht einmal in der Nähe des Raums, in dem sich das größte deutsche YouTuber-Treffen der Nachkriegsgeschichte abspielt. Jetzt gerade. Mir schlottern die Knie – was wird uns erwarten? Werden viele da sein? Wird uns überhaupt jemand erkennen? Und wenn ja, wohin sollen wir dann fliehen?
Mein Rücksack hat sich bis auf den Rücken durchgeschwitzt und Batz motzt. Ihm ist zu heiss – aber ich liebe das: Wetter, das bis unters Shirt geht.
Unser Problem? Wir wissen nicht, wo entlang. Ich bemuhe mein HTC – im hellen Sonnenlicht jedoch eine echte Mühe, denn das Display ist saudunkel. Das selbe gilt für das Blog von MrTrashpack, dem Initiator der Veranstaltung, der einen Lageplan gepostet hat, der jetzt nicht mehr zu erkennen ist.
Der nächste Fehlversuch den Veranstaltungsort zu finden: Auf dem YouTube-Kanal von Clixoom. Aus einer Laune heraus ist das Video, in dem der Moderator vor dem Gebäudeeingang rumlungert, und welches ich mir zur Orientierung noch einmal ansehen möchte, nicht verfügbar. Es ist zum Verzweifeln! Plötzlich ein Schild und eine leise Ahnung: „Nordeingang 10 Minuten“. Wir ziehen los.
Schon vor dem Gebäude die erste unbeholfene Begegnung – ich werde nach einem Foto gefragt, habe jedoch keines dabei und muss possieren. Ich grinse überrumpelt.
„YTITTY sind schon da“. Zügig streben wir dem Eingang zu – wo sind sie denn nun? Wo sind die deutschen YouTube Stars? „Im 2. OG“, sagt die Eingangsfrau. „Keine Panik“, sage ich und mache 42 Kreuze. Die Treppen steigen von allein, und die Aufregung auch. Kaum sind wir oben, hören wir auch schon unsere Namen – mehrere Kids haben sich in den Weg gestellt, fest entschlossen uns nicht mehr ziehen zu lassen, ehe nicht mindestens Alberto auftaucht. 30 Sekunden später taucht Alberto auf. Wir flüchten entlang der Geländer und vernehmen noch, wie hinter uns die Sintflut den Hamburger Hängern das Wasser zum Halse reicht.
DER RAUM gleicht einem präapokalyptischen Inferno mit Anklängen zum Rockstarfestival und Ferienlager. Rund 250 Leute zwischen 10 und 30 wuseln frenetisch von der einen Ecke in die nächste. Am oberen Ende steht ein Podest, eingepfercht von Kameraleuten, Blitzlichtgewitter und ekstatischem Gewusel – darauf stehend erkenne ich Ansätze von Xooms, Tutorials, Tittys, Mirrors und Torges. Der Rest bleibt in der Masse anonym.
Als wir eintreten, stellen sich 10 Torwächter in den Weg und überfordern jeden, der sich nähert, mit Fragen, wie: „Kannst du mir auf dem Shirt unterschreiben?“, „Hast Du Aufkleber dabei?“, „Wann gibt’s die Hasen-Shirts?“, „Wer zum Teufel bist du nochmal?“ und „Kannst du meine Brustwarze signieren?“. Es wird ein Kampf auf Leben und Tod.
Unkommentierter Rundgang duch die Halle:
Der Rundgang durch das YouTuber-Treffen
Endlich haben wir die erste Hürde überwunden und arbeiten uns ins Veranstaltungsinnere vorwärts. Bekannte Gesichter mischen sich mit noch mehr Unbekannten. Schüchterne Knirpse bedanken sich für Postkarten und alberne Videos, OG von YTITTY wirft mit Luftküssen um sich und gibt die Monroe, MysteryGuitarWautzi drückt mir eine Kamera ins Gesicht, und so mancher andere Stifte, Cola-Flaschen oder kleine beohrringte Stinktiere. Ein YouTube-Vertreter begrüßt mich verschwitzt, MarvinOnTour filmt mich filmend und fuchtelnd und drückt mir dabei einen Hund ins Gesicht. Die Minimalbesetzung von Applewar dreht mit einer Kaffeemaschine, und „ein Fan“ verewigt sich auf meinen Arm: „ein Fan!“. „Ich werde mich … nie wieder waschen … bis heute abend.“ :-)
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Plötzlich erhebt sich ein Tosen im Raum: „Michael Winslow is back“. Nur Batz findet die richtigen Worte. Alberto beatboxed sich durch den Raum und bringt Ruhe über uns. Nach 15 Meter in 20 Minuten durch dichten YouTuber-Verkehr, geht es endlich einmal voran.
Dann ein Schrei und ein Antippser. Alle Augen im Raum zeigen auf mich. Clixoom-Mann Christoph gestikuliert mich zur Bühne, und ich setze mich hampelnd in Bewegung.
Ich stehe vor der vollen Halle und weiß voll nicht, was ich sagen soll. „Es ist voll hier“. Voll, man. Ich spucke noch einmal kurz aufs Mikro und stehe einer blonden Kollegin, die nie von mir gehört hat zum Interview bereit*. Weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, halte ich Aufkleber in die Kamera.
Manniac muß Auftritte noch üben.
* Ich allerdings auch noch nie von ihr :)
Etwas später erscheint Kaddi mit einem Freundschaftsbuch, in das ich Sachen kritzeln darf. Ich verwandle eine Schildkröte in einen Hasen und erfinde merkwürdige Hobbies. Freund Süßi mahnt zur Maßhaltung. „Wie, das lesen auch Minderjährige? DANN ERST RECHT!“. ;-)
Auch Torge schwirrt noch einmal durch den Raum, doch für Fanboymomente bleibt mir nicht viel Zeit: Lange kann er nicht bleiben – das kommt eben daher, wenn man am Rand der Scheibe wohnt.
Verrückte gibt’s überall – jetzt auch im RL:
Kurz darauf im Freien: YouTube-Stars stellen sich der Gruppentherapie: Jeder nennt Name, Alter und Fetische. Es wird kurzzeitig richtig ernst, keiner will es sich bei SEINEM Moment versauen. Ein paar geben Kunststückchen zum Besten, der Rest kuschelt auf der harten Plastikbank. Schließlich stupst man mir ins Gesicht, bis ich laut miepe. So hat man sich das vorzustellen: Wir sind YouTube.
Dann verlangt ein junger Mann nach einem pangalaktischen Donnergurgler. Da ich keinen dabei habe, biete ich eine Nasenvergoldung an. Deal.
Plötzlich höre ich sie: DIE STIMME. Das Videoamt, das einzige Amt, das cared, und mein ärgster Antipode um das alte „neue YouTube-Channel Design“, steht da und grinst verschwitzt durch die Sonnenbrille.
Noch ehe es zum handfesten Fight kommt, begraben wir unsere Kriegsbeile. YouTube-Treffen sind wie Woodstock mit weniger Schlamm.
Es wird später und die Versammlung erfährt die ersten Auflösungserscheinungen: Ein letztes Mal wackeln wir um die Wette, schütteln Hände, tauschen Nummern aus. Wer zu müde ist, strömt jetzt schon zurück in die Hallen, an den Rhein, in die Innenstadt oder einfach nach Hause. Der harte Kern bleibt und verabredet sich in einer Brauerei ohne Namen. Der Abend klingt langsam aus: Wir bestellen merkwürdiges Bier (= normal in Köln), trinken „Drecksäcke“ (Cola+Bier) und essen Pommes durch die Augen. Wir unterhalten uns mit Floids, Clixooms, Typen aus Frankfurt, Mirkoos, denJungs, Krimispinnern, Po-Testern, Wautzis und Hatern. Wir reden insgesamt sehr viel und sehr klug erscheinendes Zeug, bis auch hier die letzten ihre Zelte abbrechen – es war ein harter Tag, aber auch ein Wunderschöner.
Ein bisschen ist es schon, wie Ferienlager, und ich vermisse nur noch ein Lagerfeuer, Stockbrot und den Sternenhimmel. Die Webcam immer nach oben gerichtet – damit die ganze Welt dabei sein kann… bei den tollsten Menschen von Youtube.
Foto: Katrin, Fotomontage: manniac