OZ (NT): September 16, 2008 / 21:11
AUSTRALIEN-REISE
Pakete für mich
„Do they have it there?“.
Sie grinst ganz breit, mit Augen wie Mondsicheln schmal und Bäckchen kugelig rot: Ihr Gesicht ist ein Konzentrat der Freude. Sie lächelt so ehrlich und süß und tänzelt wie ein kleiner Kolibri am Schalter herum, dass man meint, hier arbeitet keine Beamte, sondern eine Ornithologin, die den Postberuf braucht, um Verbindung mit der Erde zu halten. Ich lächle auch: „It’s a special can“
Die Dose, um die es geht, sitzt nicht richtig im Paket, und ich bin der Ornithologin wirklich dankbar für den Tipp, sie mehr in die Mitte zu verlagern, denn ich mag mir kaum ausdenken, was im Bauch eines Frachtschiffs alles schiefgehen kann: Aufgespießt von einer Portion Kugelfische aus dem Nebenpaket, gefrier-explodiert in der antarktischen Wasserkühlung, spontan-erhitzt am Äquator mit allen Konsequenzen – und alles nur wegen der falschen Lage im Paket! Sie hat eine lange Fahrt vor sich, die thailändische Dose Cola, die ich vor einem dreiviertel Jahr gekauft und seither mit mir über den australischen Kontinent geführt habe. Ob es Coca-Cola auch in Deutschland gibt? Ja, klar – aber nicht mit einem Logo in Thai!
Die Ornithologin lächelt und tippt eifrig weitere Zahlen in ihren Plastikschirm, die Äuglein gleich noch ein bisschen sichelförmiger, die Bäckchen noch runder.
Vermutlich wird das Paket bald auf ein Frachtschiff verladen und über die vielen Weltmeere geschickt: Vorbei an Bali, Sumatra, Indien und Afrika, bis es im Berliner Schöneberg meinen Nachlassverwalter erreicht. Oder, wenn hoffentlich alles gut geht, mich selbst.
Ja, ich schicke mir selbst Post, auch wenn sich die Überraschung über den Inhalt zugegeben in Grenzen hält.
Doch die kann sich ja steigern, denn man weiß nie, was der Zoll für sich behält. Zollbeamte, da einige ich mich mit der Ornithologin, sind wie FBI und Polizei zusammen.
Was werden sie nehmen?
Meinen Reiseführer aus Thailand? Mein „God Delusion“? Oder das Bündel mit den fünfzehntausend Kassenbelegen? Mein halbes Dutzend Bilder, die ich Laptoplos in der Einsamkeit der Nullarbor auf Papier brachte? Die Zeichenstifte oder eines der unzähligen Kabel und Steckverbindungen, die mir von meinen gestohlenen Elektrogeräten geblieben sind?
Den Wert des Pakets habe ich mit 60 Dollar angegeben – kein Zollbeamter, der dafür das Teppichmesser zückt. Interessanter ist das zweite Paket, dessen Versicherung bei 500 Dollar liegt. Wie ein Privatpornoarchiv in Plastiktüten verpackt stapeln sich 30 DV-Kassetten auf engstem Raum. Unter ihnen dokumentierte Begegnungen aus 10 Monaten mit Kühen, Wombats, dutzenden Roos, der geheimnisvollen Nullarbor-Nymphe, und einem viel Nonsense erzählenden Erzähler mit ständig wechselnder Mütze.
Welcher Beamte wird da nicht schwach werden?
Die Dose ist jetzt gesichert, die Pakete gut verschnürt. Mit flinken Fingern tippt die Frau mit dem Vogeltanz den Auftrag zuende, kopiert meinen Ausweis (wegen der Terror-Gefahr), und will zweihundert Dollar, möglichst bar, das ist happig. Doch gegen die Übergepäck-Kosten der meisten Airlines gerechnet, geht’s. Außerdem sind 10 Kilo weniger auf dem Rücken nicht zu verachten.
Ein paar Minuten später zurück im Hostel: Die vielen Blätter, das lose Gewühl ist auf ein übersichtliches Bündel geschrumpft und wartet in der Ecke auf den Abmarsch.
Mich zieht es noch einmal in die Stadt, auf eine letzte Runde. Ich gehe raus auf die Straße und breite die Arme aus. Flatter, flatter, wie ein kleiner Vogel. Ein paar Passanten gucken. Ach, was wissen die schon.
„Coca-Cola! That’s not even an ozzy brand, mates!“ schallt es über die Straße und ehe sie noch blöder gucken, fliege ich los.