OZ (SA): April 27, 2008 / 02:19
AUSTRALIEN-REISE
Lackaffen am Fetisch-Tag
Der Uniformierte steht mit breiten Beinen vor der Kasse, an der die junge Asiatin Wurzelbierdosen in Tüten verpackt. Ein rascher Geldwechsel, ein vielsagender Blick. Sie lächelt und drückt ihm die Plastikhenkel zwischen die Hände. Er räuspert und bedankt sich langsam und nimmt einen Schluck aus dem Behältnis. Es sieht aus, wie eine dieser Bierdosen, die man draußen, in australischen Innenstädten, nicht trinken darf. Dann macht er auf dem Absatz kehrt und steuert auf die Straße. Langsam, damit ihn die Autos nicht rammen. Doch da sind keine Autos heute. Nicht an diesem Tag. Menschen sind hier. So viele.
Er humpelt. Das kommt vom Bein, dem steifen, aus Plastik. Er bahnt er sich den Weg durch die Menge – nur langsam kommt er voran. Sie machen ihm Platz und grinsen dabei verschämt: Die vielen Jungen in Anzügen und Krawatten, die Mädchen mit lustigen Hüten. Sie schauen zu ihm auf, auf die Abzeichenparade am Revers. Er, der Feuerwehrmann, der Polizist, der LifeGuard, der Wildhüter, der Marine-Offizier, der nationale Fetischist. Er ist irgendwie Teil dieser Show. Und dann ist er auch irgendwie echt. Er ist vermutlich nur 80, und so jung. Aber er ist trotzdem hier. Denn das ist sein Fest. 93 Jahre später. ANZAC Day: Landung der Kiwis und Aussies bei den Türken. First time, big time.
Eine eilige Mammsel in Rosa grüßt und läuft gleich noch ein paar Schritte schneller. Er blickt ihr nach und grübelt, woher er sie kennt. Wann er sie zuletzt gesehen hat. Vor so langer Zeit. Heute verliert alles seine Bedeutung. Und heute scheint die Sonne, an diesem furchtbar schönen Tag.
Kinder marschierten vor dem Steinkolloss an der North Terrace, am Abend zuvor. Die eine trug einen Stab, die nächste etwas aus Orange, die letzte das Grinsen eines Honigpferds. Die Kameras schauten zu. 12 Stunden lang. Jetzt marschieren alle anderen: Die Veteranen, die Offiziere, die Hunde und olivgrüne Wägen, die Damen in blauen Kleidern, von denen niemand genau weiß, wer sie überhaupt sind. Und er. Militärparade und Karneval. Und jeder SurfGuard hängt mit Stolz sein Abzeichen in die Kamera.
Irgendwo am Ende des Zugs schmettert eine Marschkapelle.
Hochdekoriert, behängt mit Orden wie ein Weihnachtsbaum mit gläsernen Kugeln, steht er da. Und als sie den Kolloss erreichen, kann er sich das Taschentuch nicht mehr verkneifen. Einmal tupfen, das muss reichen.
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Bilder vom ANZAC Day in Adelaide im CoMaBlog