Freibad Zurzach
„Der Nachmittag war wirklich schön – bist du morgen wieder hier?“
Seine grün-blauen Augen leuchteten in der heissen September-Sonne und glitzernde Wasserperlen säumten die glatten Wangen.
Die blau-schwarzen Strähnen auf seiner Stirn hatten sich wie Pinselstriche eines neuen Geheim-Alphabets zu Worten geformt, und ich war der Sprachwissenschaftler, der sie als Erster begriff. Ich sah ihm ins Gesicht, bemüht der Antwort etwas beiläufiges zu geben – „Ja, gerne!“ – wenigstens sagte ich nichts Dummes. Dann grinste er mich an, mit weissen Zähnen, die jede Fotoautomatik um 2 Stufen abblenden liesse, und ich lächelte zurück, in der Hoffnung ebenfalls ein wenig zu blenden.
Tatsächlich erschienen seine Pupillen so klein wie Nadelspitzen in den Augen, die in meine blickten und dabei unablässig zwinkerten, als gelte es einen andauernden Scherz zu entschuldigen.
Er war mir zugelaufen, auf dem Weg zur Rutsche. Ich war wohl langsamer als er, und das war wohl Absicht, aber davon merkte er nichts. Ich sprang als erster in den eisigen Sog, und er gleich hinterher. Wir flitzten durch die grün-blauen Röhren, zuerst im Kreis und dann immer flinker dem Ausgang zu. Er war etwas schneller als ich, bis ich seine Füsse in meinem Rücken spürte. Auf den letzten Metern rutschten wir gemeinsam. Kalte Gischt, sein lautes Lachen und ein gelber Schwimmring.
Zitternd vom kühlen Wind – oder war es die Aufregung? – entstiegen wir dem Wasser und rannten, gleichsam schreiend und lachend der Anhöhe unter den Birken entgegen, auf der wir aus Decken, Taschen und Sandalen unsere Festung bauten. Von hier oben sahen wir über das ganze Gelände, bis zu den Giebeldächern der Umkleidekabinen, und auf der linken Seite, abgetrennt durch Maschendraht und eine Autobahn, mahlte gemächlich der Rhein.
Wir legten uns halb auf Handtücher und frisch gemähtes Gras, sein Kopf nur knapp neben meinen, und horchten den Durchsagen, schreienden Kinder und der nahen Autobahn. Als er einschlief, lauschte ich seinem ruhigen Atem.
Ein Summen lag in der Luft – es hätten Insekten sein können oder die Hochspannungsleitungen, die Strom aus Leibstadt über die Grenze brachten.
Ich war 15 und es waren die letzten heissen Tage des Sommers. Es war auch das letzte Mal, dass ich ihn hier sah.
Einige Jahre später habe ich ihn noch einmal getroffen, aber er hat mich nicht erkannt. Er war etwas reifer, aber die Wangen noch immer sehr glatt. Ein hübsches Mädchen stand neben ihm, und seine grün-blauen Augen leuchteten nur für sie.