YouTube Twitter Facebook RSS-Feed

Kennst Du meine Videos auf ?

Meine Kanäle: Comedy & Cartoons / Reise-Abenteuer / Vlog-Schrott
19. Juni 2007 / 06:54

Unkomplizierte Zimmervermittlung (mit Pfiff)

Bei 24 hieße es jetzt wohl:

Warning: Reader’s discretion is advised! ;-)

Das ist nämlich mein erster Blogeintrag mit Sex, drugs & violence.

Wenn mich letzten Sonntag morgen um kurz vor 10 Uhr, nachdem ich wieder in Berlin angekommen war, eine imaginäre Nachbarin, die es übrigens nicht wirklich gibt und die ich nur der Dramaturgie wegen an dieser Stelle hineindichte, gefragt hätte, wieso ich schon so früh und nicht erst, wie geplant, am Abend zurückkehrte, hätte ich wohl gesagt:

„Das ist im Grunde eigentlich eine ganz lustige Geschichte …“

Es gibt nämlich wenige Geschichten, die es tatsächlich vermögen, dieses Versprechen einzulösen. Diese hier wäre ganz bestimmt eine davon.
 

Nachdem ich vergangene Woche in Karlsruhe erfolgreich meine Unschuld gegen eine übereifrige Dozentin und wilde Plagiatsvorwürfe verteidigen konnte (Ich habe tatsächlich nicht von mir selbst abgeschrieben, ich habe es nur gewagt, meine Seminararbeit sowohl in der Hochschule als auch im Internet zu veröffentlichen – Batz berichtete), hatte ich nun auf ein entspannendes Wochenende mit meinen Kommilitonen in der Documentastadt Kassel gehofft.
Jan, die studentische Hilfskraft von Exkursionsleiterin Anna Jermolaewa, hatte sich um unsere Schlafunterkünfte über eine private und unkomplizierte Zimmervermittlung (https://www.documenta-zimmer.de/de – inzwischen gelöscht) im Internet gekümmert, die Fahrt am Freitag organisierte ich dann für mich selbst.

Wie unkompliziert die Zimmervermittlung vonstatten lief, erfuhr ich, als mich bei der Einfahrt nach Kassel mein Zimmervermieter, nennen wir ihn K., per SMS anwies, doch zwecks Zimmerübergabe alles weitere bitte mit seinem Mitbewohner zu besprechen, da er spontan gerade zu seinen Eltern verreist sei. Da ich natürlich mit spontanen Ereignissen immer professionell umzugehen weiss, kontaktierte ich seinen Mitbewohner, nennen wir ihn B., und liess mich zwecks Wegweisung von diesem per Telefon zur Wohnung dirigieren.
Diese war hell und geräumig und machte insgesamt einen beschaulichen Eindruck. Der Mitbewohner tat dies ebenfalls und als er mich nach meinem kurzen Internet-Check darauf hinwies, dass ich vor ihm die „blauen Seiten“ nicht zu verstecken bräuchte, lockerte sich die Stimmung gleich noch ein bisschen mehr.
Er erzählte mir, dass er noch nicht sehr lange in Kassel wohne, und dass sich dies hoffentlich auch bald wieder ändere würde. Ich verzieh ihm, dass er Mechatronik im 2. Semester studierte und erzählte ihm von meinen schlimmen Jahren als Informatikstudent. Er versorgte mich mit Getränken und obskuren Enthüllungen über die kürzlich erfolgte Konvertierung seines Mitbewohners zum Judentum, das strenge Auslebens desselben sowie den erstaunlichen Auswirkungen auf die Warmwasserversorgung in der Dusche an Freitagabenden. Schließlich lud er mich ein, ihn doch am Samstag auf eine Schaumparty „in irgendsoeinem Schwulenclub“ zu begleiten. Dies musste ich, mit Verweis auf meine nur eine Hose, diversen Trocknungsschwierigkeiten bei feuchtem Wetter und der dringend benötigten Einsatzfähigkeit für einen weitereren Documentatag leider ablehnen. Er verstand, und wir verabredeten, dass ich mich gleich noch ein wenig mit meinen Kommilitonen treffen und zwischen 1 und 2 Uhr nachts bei ihm zurückmelden würde. Daraufhin verschwand ich im wuseligen Eröffnungsgewummel der Documenta 12 zwischen halluzinogenen Farben (=das war der „drugs“-Aspekt der Geschichte), regnenden Bratwürsten und blinkenden Nippel und erfuhr nebenbei, dass die Kasseler Verkehrsbetriebe noch unzuverlässiger sind als die Berliner.

Nachdem ich gegen 1 Uhr zurückgekehrt war quatschte ich noch ein bisschen mit dem durchaus purzeligen Mitbewohner, putzte die Zähne und er machte sich bettfein. Anschliessend verschwand er im Nebenzimmer und ich kuschelte mich im Gästebett an meinen Laptop. Die Lichter gingen aus, alle Geräusche verstummten.

Um 2:14 Uhr MEZ erreichte mich diese SMS:

SMS: Wie wärs mit ner runde wixen oder ner fussmassage? hihi :) sorry bin unmöglich :)

Nun ja. Wir wissen alle um die windigen Abgründe an den Bahnhöfen zwischenmenschlicher Begegnung, an denen sich dampfkesselgetriebene homosexuelle Lebenszüge in ähnlicher Weise abarbeiten wie der ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“ an Eschede.

Charaktermenschen haben Strategien entwickelt, um sich dem triebgesteuerten Locken selbst äußerst hübscher 21jähriger Mechantronikern entgegenzusetzen. Sie vertrauen auf den Reichtum jahrelanger Erfahrung und die dadurch unterfütterte Willensstärke im Umgang mit den größten Versuchungen. Sie hilft ihnen, jeder noch so zwilichtigen Einladung zu widerstehen und bewahrt sie selbst in größter körperlicher Not vor der törrichten Preisgabe der eigenen Obektivität.

Ich dagegen war schwach. Was dann kam … leider auch. Naja.

Der nächste morgen begann mit Dusche und Frühstück und der vagen Information, dass B. einen Ausflug nach sonstwohin plante und so gegen 8 oder 9 Uhr abends wieder zurück sei. Ab dieser Uhrzeit könne man die Wohnung wieder betreten. Einen Schlüssel könne er mir nicht überlassen, er habe nämlich nur den eigenen.

Mein Tag auf der Documenta verlief übersichtlich. Das Gelände ließ sich überschauen, die Anzahl der nennenswerten Kunstwerke ebenso. Den Abend ließen wir in einem italienischen Restaurant bei leckerem Speissen und teurem Wein ausklingen. Hin und wieder prüfte ich mein Handy, für den Fall, dass B. versucht hatte mich zu erreichen – sofern er nämlich zu dieser Party ginge und mir davor Gelegenheit geben wollte, seinen Schlüssel in Empfang zu nehmen. Nachdem ich nichts von ihm hörte, nahm ich an, dass er sich gegen das Ausgehen entschlossen hatte. Es war kurz nach 1 Uhr als ich mich aufmachte, und ich wollte keine spätere Uhrzeit riskieren, um ihn nicht zu wecken – man hat ja als Mieter eine gewisse Verpflichtung.
Um halb 2 war ich vor der Wohnung – in den Fenstern dunkle Leere.

Auf meine SMS und mein Klingeln kam keine Reaktion und ein Anruf auf dem Festnetz war genauso ergebnislos wie auf dem Handy. Was war geschehen? War der hübsche Mechatroniker bei einer spontanen Reise in die Vogessen von einem tollwütigen Spitzbubenadler gebissen und in ein 11 Meter tiefes Loch gefallen und sein Handy in ein 20 Meter tiefes Loch daneben? War er doch zuhause geblieben und hatte aus Frust über mein spätes Nachhausekommen den kompletten Kühlschrank leergegessen und war nun aufgrund des Überfrasses und des Gewichts knapp vor seinem Bett zusammengebrochen und nun von der Schwerkraft an den nackten Boden gefesselt unfähig meinen Kontaktversuchen zu antworten?
Oder hatte er einfach seine Drohung wahrgemacht und war den Gesetzen des freien Wildmarktes gefolgt, um sein Gengutspende per Schaumweitergabe an im besten Saft stehende junge Männer zu verteilen?
Warum aber hatte er dann nicht angerufen oder mich per SMS wenigstens vorgewarnt? Ein einfaches: „Hey, in 20 minuten bin ich weg, hol den Schlüssel oder frier auf der Strasse“ hätte doch genügt? Statt dessen hatte er es scheinbar vorgezogen, mich dieses Rätsel selbst lösen zu lassen. Höflich und gut erzogen, wie ich bin, habe ich das auch versucht, in den 3 folgenden Stunden.
Ca. 25.000 Versuche habe ich unternommen, um ihn zu erreichen – wenn ein Handy einen Höchstspeicher an eingehenden Anrufzählern hat, dann habe ich diesen hiermit bestimmt geknackt.
Es war halb 4 als mir die Geduldsschnur riess und ich nun den eigentlichen Vermieter, nämlich K., anrief und ihm mein Leid, in der Kälte stehen und frieren zu müssen, schilderte, nicht ohne zu erwähnen, dass ich natürlich vollstes Verständnis dafür hätte, dass es sicher auch sehr schlimm für ihn sein müsse, dass er jetzt gerade um diese Zeit aus dem Schlaf gerissen worden sei. Er, erstaunlich wach, verurteilte das rücksichtslose Verhalten seines Mitbewohners aufs Schärfste und versprache Rache, Vergeltung und Schweinebauch. Tatsächlich rief er wenige Minuten später zurück, um mir mitzuteilen, dass nun Hilfe nahe. Der Vermisste sei auf der Schaumparty gesichtet worden und nun auf dem schnellsten Weg zurück zur Wohnung. Es sollte nicht mehr lange dauern. Er entschuldige sich tausend Mal, und alles täte ihm wirklich furchtbar leid und so.

Es dauerte noch mehr als 30 lange Minuten, in denen ich mir die abscheulichsten Verachtungsschwüre überlegte, durch die B. sich für seine Verantwortungslosigkeit in Grund und Boden schämen sollte. Die Wute lohderte, und als er schliesslich erschien, geschahen 2 Dinge, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Überhaupt nicht gerechnet hatte:

  1. Er kam nicht allein. Im Schlepptau hatte er seinen Freund, der mich debil grinsend und oberkörperfreiverschwitzt angriente.
  2. Er entschuldigte sich nicht.

Mit keinem Wort. Er ging schnurstraks an meinem finsteren Blick vorbei und öffnete die Tür.
Ich entschied mich, das Schweigen zu brechen und sagte etwas wie: „Schön, dass Du auch mal den Weg hierhergefunden hast, nach 3 Stunden“.
Sein Freund griff sofort an: „Da kann er doch nix für, sein Mitbewohner hat das Zimmer an Dich vermietet. Das ist also ganz allein das Problem von Dir und K.“
Ich stutzte einen kurzen moment und formte meinen Mund zu so etwas ähnlichem wie „WAS!?“ und sagte „B. ist dafür verantwortlich, dass ich meinen Schlafplatz bekomme, das war so verabredet. Wenn ihm das zuviel Verantwortung ist, dann hätte er das mit K. abklären müssen. Ausserdem zahle ich Geld dafür, dass ich hier schlafen kann.“
In diesem Moment meldete sich erstmals B. zu Wort: „Ich bleib doch nicht den ganzen Abend zuhause und halt mir für dich den Abend frei!“
Ich: „Das habe ich auch nicht erwartet! Du hättest mir aber eine SMS schreiben können, damit ich weiss, dass Du jetzt mit dem Schlüssel abhaust und erst um 5 Uhr morgens zurückkommst! Du weisst doch, dass ich von Dir abhängig bin und nicht umgekehrt – “
Er: „Du hättest mir ja genauso auch eine SMS schreiben können!“
Ich: (ungefähr) „Wie bitte??“
Sein Freund: „Du hättest Dich ja selbst melden können! Er rennt Dir doch nicht hinterher!“
Ich: „Ich habe mich per SMS gemeldet: 30 Minuten bevor ich bei der Wohnung stand. Das sollte ja eigentlich ausreichen, um mal zurückzuschreiben. Ausserdem habe ich in den letzten 4 Stunden alle 5-10 Minuten angerufen, ohne dass B. ans Handy gegangen wäre!“
Er: „Hallo? Ich nehme doch mein Handy nicht auf eine Schaumparty mit!“
Ich: (völlig perplex) „Du scheinst Dich offenbar nicht im geringsten verantwortlich zu fühlen!“
Er: „Nö.“
Sein Freund: „Er ist ja auch nicht verantwortlich dafür, das ist ganz allein Dein Problem“
Ich: (langsam ziemlich angenervt) „Kannst Du Dich jetzt mal raushalten und dich einfach mal verpissen? Dich geht das nämlich ohnehin nichts an.“
Sein Freund: „Und ob mich das was angeht. Und jetzt wär’s am besten, wenn Du Deine Sachen packst und gehst!“
Ich: „WTF????????????????? Halt Du Dich mal gefälligst da raus.“

An dieser Stelle folgte ein für die wörtliche Wiedergabe ungeeignetes, womöglich in abmahnfähiger Wortwahl gehaltenes Gespräch, dessen geistige Ergüsse, insbesondere, die der Gegenseite, ich dem geneigten Leser lieber ersparen möchte.
Ich beschränke mich lieber auf die Schilderung der weiteren Vorgänge, die zunächst mit der immer energischer vorgetragenen Aufforderung begannen, sofort und auf der Stelle die Wohnung zu verlassen. Auf meine Weigerung hin – denn ich fühlte mich im Recht, da ich ja von K., dem Vermieter eingeladen war, und nicht von irgendeinem Freund des Mitbewohners des Vermieters – reagierte der Freund mit einer Attacke zunächst auf meinen Koffer, indem er zunächst wahllos meine Klamotten, technischen Geräte und Bücher hineinwarf, und anschliessend auf mich. Er warf er sich mit aller Kraft auf mich und drückte mich gegen das Bett, wodurch ich mir die Rippen stiess und den Oberarm aufschürfte. Obwohl ich praktisch keine Gegenwehr leistete und im Ton und in der Sache völlig ruhig blieb, fuhr er fort, meinen Kopf in den Schwitzkasten zu nehmen. Als er schliesslich wieder von mir abliess (womöglich weil ihm klarwurde, dass sein Verhalten ihn unter Umständen eine gesalzene Anzeige einbringen könnte), um statt dessen fortfuhr weitere Sachen in meinen Koffer zu werfen (und dabei nebenbei auch Bücher zu beschädigen), fühlte ich mich – ziemlich erschöpft – zur Feststellung genötigt, dass ich eigentlich verdammt nochmal nur noch meine Ruhe haben und schlafen wollte. Als daraufhin ein ziemlich empörtes „Nö!“ aus dem Mund von B. ertönte, so als habe ich etwas wirklich Ungehöriges verlangt, war für mich der Groschen gefallen. Plötzlich fing die Sache an, lustig zu werden.
Es war dieser Moment, in dem ich mich entschloss, auf den perfiden Plan zurückzugreifen, den ich mir noch wenige Minuten zuvor beim Warten ausgedacht hatte.

Seit Jahren beobachte ich nämlich – aus rein wissenschaftlichem Interesse natürlich – die zwischenmenschlichen Verhaltenweise junger Homosexueller. Ein Ergebnis dieser empirischer Studien ist, dass die bei jungen Homosexuellen oft anzutreffende unverbindlichen Verhaltensweisen meistens durch übermäßiges Eifersuchts- und Alleinverfügungsansprüche kompensiert werden.
Ich fing an, die restlichen Sachen aus dem Zimmer zu sammeln und in meinen Koffer vor der Tür zu packen. Es war inzwischen klar, dass es sich bei dem Freund um B.s Beziehung handeln musste. Auf halben Weg nach draussen entglitt mir daher nahezu beiläufig der Satz: „Wenn ich gestern schon gewusst hätte, was für ein Typ Du bist, wäre ich sicher nicht mit Dir ins Bett gegangen.“ Durch die leicht irritierten Blicken ermutigt, entschied ich mich bei der Wahrheit zu bleiben: „Allerdings, so schlecht und langweilig wie der Sex mit Dir war, hätte ich mir das ohnehin sparen können.“ und verliess flink mit dem Rest meiner Sachen die Wohnung. Beim Rausgehen vernahm ich noch ein „… echt nicht nötig gewesen …!“, ehe sich mit lautem Krachen die Türe hinter mir schloss.

Nun ja. Ich habe vor dem Haus ein letztes Mal mit K., dem Vermieter telefoniert, der immer nur „Ich fass es nicht, ich fass es nicht“ stammelte und sich tausend Mal für seinen Mitbewohner entschuldigte.
Zwei Stunden später sass ich dann im Zug nach Berlin. Fassen kann ich es bis jetzt allerdings auch noch nicht.

Während ich dem entschwindenden Kassel noch aus dem Fenster nachblickte und mir dabei die von der Attacke noch schmerzenden Rippen und den Oberarm rieb, schwor ich mir jegliches Vorschussvertrauen in putzig aussehende, fremde Personen in der Zukunft grundsätzlich noch einmal gründlich zu überdenken – vor allem wenn ich mich so abhängig von ihnen mache, wie in diesem Fall.
Ausserdem würde ich mir eher auf die Lippen beissen, als noch einmal wortreich Gerechtigkeit einzufordern, wenn ich damit gleichzeitig mein Anrecht auf einen Schlafplatz verliere. Das ist ja grade, wenn man auf der Reise ist, nicht sehr vorteilhaft.

Ausserdem kann man mit der Rache ja auch mal bis nach dem Ausschlafen warten…

Blauen Flecken

 
 


Nachfolgebeitrag:
Vorgängerbeitrag:

powdered by wordpress and manniac.de (cc-by-nc-sa) 2006-2018