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Meine Kanäle: Comedy & Cartoons / Reise-Abenteuer / Vlog-Schrott
29. April 2007 / 22:50

Gott hat geschrieben

From God with Love

Er lässt allen schöne Grüße ausrichten, ihm ginge es gut, nur das linke Bein will nicht mehr so wie früher.
Er lässt fragen was wir so machen, und ob er mal vorbeikommen solle: Vielleicht gegen Jahresende.

Die Postkarte kam per E-Mail und ging schon vor ein paar Tagen ein. Der Absender war verschleiert und ich merkte es erst, als ich meinen Spam-Ordner prüfte.

Gott meint, er habe etwas mitzuteilen und es sei wichtig. Es habe mit seiner Person zu tun. Es gebe bald eine Änderung, aber davon möchte er uns persönlich erzählen, nicht per Mail.

Ich rief ihn gleich an, es ist ja nicht mein Ding lange zu warten, und wir haben rund eine Stunde telefoniert und alte Geschichten ausgetauscht. Wir scherzten und lachten, doch bald war nicht mehr zu übersehen, dass ihn etwas bekümmerte. Ich fragte was sei, ob es Stress gebe bei der Arbeit oder ob der Haussegen schief hinge.
Dann brach es aus ihm heraus: Das Geschäft liefe mau, die Umsatzzahlen seien eingebrochen. Sie müsste jetzt auch Sonntags arbeiten um den Schnitt zu halten. Niemand erkenne ihn mehr auf der Strasse, ständig würde er mit falschem Namen angesprochen. Klar, er habe ja so viele schon gehabt, aber es seien trotzdem die falschen.
Zuhause gebe es Probleme. Er habe das Gefühl, ihm sei die Macht abhanden gekommen, die Frau verfolge eigene Pläne und die lieben Kleinen würden erwachsen. Viel zu schnell. Er vermisse die Zeit, als er noch der Herr im Haus war und sein Wort Gesetz.
Mit dem Ältesten kam es am Freitag zum Eklat: Sie hätten sich gezofft und schliesslich sei er aus dem Haus gerannt. „Für mich existierst Du nicht mehr! Du bist nicht mehr mein Vater“.
Gott schwieg. Er wisse nicht mehr, wie es nun weitergehen solle. Ich sagte, ich auch nicht, danach weinte er ein bisschen.

Ob das nicht der Lauf der Dinge sei, habe ich ihn gefragt, ob wir nicht alle Probleme hätten. Das Leben sei eben ein Test.
„Leben. Erzähl mir nichts vom Leben.“
Er habe es erfunden, entgegnete ich. Seit unserer Geburt habe er uns damit bedrängt, uns getestet, uns de facto keine Alternativen gelassen. Jetzt, wo der freie Wille zum ersten Mal auf ihn zurückfalle, sei er ein Weichei, ein regelrechter Jammerlappengott. Er solle sich mal zusammenreissen. Er solle nicht so tun, als ob sich alles nur um ihn drehe. Das Leben sei so viel mehr, so bunt, so gross, voller Abenteuer und Wissen. Er hänge zu oft zuhause rum. Er solle sich eine neue Beschäftigung suchen. Ein Hobby. Ein künstlerisches Projekt. Vielleicht eine kleine Affäre.

Gottes Atem schnaufte verächtlich durch den Hörer.
Er werde sich wohl einen neuen Namen zulegen. Er hat ihn mir auch genannt, bat mich aber ihn noch für mich zu behalten.
Schon wieder, habe ich ihn gefragt.
Ein neuer Namen war für Gott wie für Frauen eine neue Frisur.

Er fühle sich so einsam. Er brauche meine Unterstützung. Er wolle einen neuen Anfang, mit mir. Wenn ich möge, könnten wir das gemeinsam schaffen. Er glaube fest an mich.
Ich sagte ihm, dass ich seine Absichten schätze, aber leider für unrealistisch halte. Wir hätten sicher viel gemeinsam, doch es gebe so viele Bereiche, die uns trennten.
Welche das seien, wollte er wissen. Das hatte ich ihm schon so oft gesagt.
Unsere Beziehung sei zu virtuell, der Sex schlecht und die Umgangsformen autoritär.
Ich brauche jemanden, der mit beiden Beinen auf der Erde stünde. Er sei einfach nicht mein Typ.

Dann war alles still, bis auf das leise Schluchzen im Hörer.
„Gott, ich muss jetzt gehen … Ich habe noch eine Verabredung und …“
Es kam keine Antwort.
Ich habe irgendwann einfach aufgelegt.

 
 


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