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5. September 2008 / 17:04
OZ (NT): September 6, 2008 / 00:34

AUSTRALIEN-REISE

Kein Porno im Northern Territory

No liquor, no porn - Kein Alkohol, keine Pornos

Pornografie ist ein wunderbares Erzeugnis der menschlichen Fantasie. Das schreibe ich nicht einfach so, ich habe Argumente dafür. Im Gegensatz zu den anderen Errungenschaften der entwickelten Welt, wie Presse- und Informationsfreiheit oder dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, kommt die Pornografie ohne breite Unterstützung durch die Gesellschaft daher. Das mag seltsam erscheinen, da wir ihr so viel verdanken, wie z.B. die VHS-Kassette oder das Internet. Dennoch hinterläßt eine privat-empirische und keinesfalls repräsentative Untersuchung meinerseits*, womit Menschen, wenn man sie öffentlich fragt, ihre Freizeit lieber verbringen: Mit dem Erstellen ihrer Jahressteuererklärung oder dem Herunterladen harter Pornos, einen bedrückenden Eindruck: Die erste Aktivität erscheint populärer als die Zweite. Dies ist nicht ganz unerwartet, denn mit dem Bekenntnis geht das Stigmata des Perversen einher (wobei man sich zu Recht fragen kann, welches von beiden perverser ist). Dabei legt die Popularität von Porno-Seiten das Gegenteil nahe. Zu lesen sind die Daten daher meiner Ansicht nach anders: Wenn Sepplhuber’s Heinz im Wirtshaus tost, dass ihm der ganze „Schweinische Saukram“ (in den Internets) gestohlen bleiben kann, steht das kodiert für: „Ja, ich schaue auch.“

Dass bei solch widersprüchlichen Positionen die Pornografie zur idealen Projektionsfläche für alle Problematiken mit themen-verwandten Hintergrund wird, ist ein Erfolg des modernen Menschen. Genauer gesagt, ist es das, was den Erfolg des modernen Menschen ausmacht: Wenn wir das gebildete Individuum, das ohnehin eine Minderheitengruppe des Menschen darstellt, für unsere Betrachtungen vernachlässigen, wird klar, dass der moderne Mensch nie gelernt hat, zu differenzieren. In Zeiten schneller Veränderungen und der damit erforderlichen Reaktionsgeschwindigkeiten, überlebt nur, wer instinktiv handelt. Wenn ein chinesischer Demonstrant auf dem Platz des himmlischen Friedens zunächst abwägt, ob er als Einzelner gegen einen Panzer bestehen kann, hat er schlechte Karten (oder auch nicht). Wer bei der Partnerwahl kneift, weil er auf bessere Aussichten hofft, verschenkt womöglich die Chance auf Reproduktion. Der moderne Mensch verallgemeinert um sein Leben, und selbst wenn ihm das oft nützt, so tut er es doch so unbedacht, bis er Kollateralschaden nimmt.
Das mag oft nebensächlich erscheinen, wie ein harmloser Ausdruck des Zeitgeists: So stehen Allgemeinbegriffe für alles, was jeweils gerade aktuell ist. Filme sind „WALL-E“ und „Dark Knight“. Deutsche Politik ist Angela Merkels Wichsfiguren-Kabinett, Fernsehen ist schlecht, Terrorismus ist 2001. Doch die Definition eines Begriffs wird durch die Verallgemeinerung auch abhängig vom Kontext, der ihn erfrägt. Spricht man über James Camerons „Titanic“ und Mel Gibsons „Die Passion Christi“, wird klar, warum man „so Filme“ nicht mag, aber läßt außer acht, ob Filme gleichen Genres, mit den gleichen Schauspielern oder dem selben Regisseur nicht manchmal auch ganz gut sind. Benennt man aus der Pornografie sodomitische Darstellungen oder Kindesmissbrauch, frägt sich natürlich nicht mehr, ob man dafür ist oder dagegen, denn die genannten Negativbeispiele verbieten jegliches Hinterfragen.
Eine wichtige Rolle spielt auch die Einfachheit. Wenn ein Mensch nicht versteht, was ihn umgibt, denkt er sich die Erklärung eben aus. Und je mehr Menschen sich das gleiche ausdenken, umso wahrscheinlicher erscheint die eigene Fantasie. Beste Beispiele dafür sind Religionen, der Glaube an Schicksal oder Verschwörungstheorien. Und natürlich die Bequemlichkeit der Projektion von Ursachen. Wer magersüchtige Modells sieht, will magersüchtig werden, wer bei Homosexuellen Eltern aufwächst, wird selber homosexuell, wer zu viele Horrorfilme sieht, wird zum Problem-Zombie. Oder aber: Wer als Mann zu viele Pornos oder Werbung schaut, verliert die Achtung vor Frauen. Oder er verhält sich wie ein Drogensüchtiger: Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick (der Vergewaltiger), Perversionen (der Fetischist), noch härterem Stoff (der Tier- oder Kinderschänder) oder anderen Substanzen (der Alkoholabhängig oder Kriminelle). Wie kein anderes Thema ist Sexualität Projektionsfläche für Unkenntnis zum Thema und die Suche nach einfachen Erklärungen zu komplexen Problemen aus anderen Ressorts. Da sie als menschlicher Trieb jedoch schwer angreifbar ist, zielt man auf ihren künstlichen Stellvertreter, die Pornografie.
Wie kein anderes Medium instrumentalisiert der herrschende Mensch – in den meisten Fällen ein Politiker, ein Prediger oder im weitesten Sinn ein Macht-süchtiger Mensch – die Pornografie zur Selbstdarstellung bei der Bewältigung von Problemen. In der ganzen Welt geschieht dies besonders beim Kampf gegen Kinderpornografie, Kindesmissbrauch und dem, was in der deutschen Politik „Jugendschutz“ genannt wird, aber in Wahrheit mit dem Begriff Prüderie-Erziehung besser zusammengefasst wäre.

Keine Frage, Kinderpornografie und Kindesmissbrauch sind reale, schwere Probleme, die es in jeder Gesellschaft gibt und die bekämpft werden müssen. Das schaurige ist jedoch, dass die Mittel nicht geeignet sind. Wer den Garten von Ungeziefer bereinigen will, verströmt kein Senfgas, mit dem Hinweis, dass die Menschen dann eben Gasmasken tragen sollen, nur weil Senfgas zufällig ganz gut gegen Ungeziefer ist.
Wenn Kinderpornografie bekämpft werden soll, ist es wenig hilfreich, Pornos allgemein zu verfolgen.
Wer Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen von ihnen überlegenen Menschen schützen möchte, tut nicht gut daran, Sexualität in die Nähe des Kriminellen zu rücken und dadurch unschuldigen Erwachsenen und Kindern einen verkrampften Umgang mit Sex aufzuzwängen. Er MUSS differenzieren und die Ursachen bekämpfen und nicht die verwendeten Medien.

Im Northern Territory von Australien (das war übrigens meine Motivation für diesen Beitrag) versuchte die konservative Regierung von John Howard (inzwischen abgewählt) 2007 den außer Kontrolle geratenen Drogen- und Kindesmissbrauch in Aboriginal Gemeinschaften dadurch einzudämmen, dass der Genuß von Alkohl stark eingeschränkt und der Konsum und Besitz von Pornos gänzlich verboten wurde. Während der Alkoholkmissbrauch im NT schon auf der Strasse ganz offensichtlich ist und ich ein begrenztes Verständnis für diese Beschränkungen habe, wird das Verbot der Pornografie damit begründet, dass Kinder in Aboriginal Gemeinschaften den sexuellen Darstellungen (z.B. im Internet, aber auch auf Videokassetten oder in Magazinen) ausgesetzt seien und dadurch Sex gegenüber desensibilisiert würden (was aus irgendeinem Grund dafür verantwortlich sein soll, dass erwachsene Aboriginals mutmasslich Kinder missbrauchen).
Durch das Verbot dürfen nun aber erwachsene Aboriginals keine Pornos konsumieren und auch für Weiße ergeben sich Einschränkungen, da der Umgang mit Porno Material auch für sie ganz verboten oder zumindest (noch stärker als zuvor) tabuisiert wird. Dies wirft schließlich die Frage auf, ob sich die Australische Regierung jemals in einer ernsthaften Untersuchung mit der Stress-abbauenden Funktion von Pornos und den Folgen einer Prohibition befasst hat, oder ob es sich dabei nicht eher um einen hilflosen, verallgemeinernden Versuch einer Problem-Projektion handelt.

Doch vielleicht geht es ihnen gar nicht darum. Immerhin gehört, wie ich eingangs erwähnte, Pornografie zu den wunderbarsten Erzeugnissen der menschlichen Fantasie: Wie kein anderes Thema durchwühlt sie, als ein Medium der Sexualität, unsere Emotionen, zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich und bedient unseren Wunsch nach einem Prügelknaben für alle bösen Themen. Sex eignet sich, wie kein anderes Thema als Instrument zum Erreichen nahezu beliebiger Ziele. Der Verkauf von Fernsehzeitschriften, das Impeachment von Bill durch Monica, Wahlkampfthemen für Parteien jeder Couleur, Ablenkung von politischer Inkompetenz.
Natürlich eignet sie sich auch in diesem Fall, denn die Probleme der weißen Australier mit ihren indigenen Völkern sind zehn mal so massiv, wie Berlin pleite ist. Einem Premier auf Wiederwahlkurs kann jedes Mittel recht sein, sich selbst als Löser dieser Probleme zu inszenieren. Schlimm nur, wenn der Premier es zwar nicht schafft, aber das Gesetz trotzdem bleibt. Das ist der Stand.

Wer glaubt, durch das Verbot von Pornos in australischen Aboriginal Communities oder durch die Einführung der Scheinjugendpornografie in Deutschland oder sonst irgendwo auf der Welt den Kindesmissbrauch zu bekämpfen, gehört für seine Naivität gedrückt. Auf die Nase. Ganz fest.

Immer und immer wieder, bis sie es endlich lernen.

* deren repräsentatives Ergebnis mich tatsächlich interessieren würde! Es handelt sich übrigens um eine Untersuchung bei der ich Freunde und Bekannte nicht berücksichtigt habe.

 
 


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